Am 22. November bot die „Trasco GmbH“ aus Bremen, der exclusive Vertriebspartner des renommierten
Busherstellers Ikarus, die Gelegenheit, auf einer Testfahrt mit dem „Ikarus 120 e“ den Bus näher
kennenzulernen. Trasco ist zuständig für die deutschsprachigen Länder Deutschland, Ölsterreich, die
Schweiz und Luxembourg – wobei Luxembourg im Süden und Westen des Landes eigentlich eher
französischsprachig ist. Ikarus ist – seit der Wende – auf dem deutschen Markt eigentlich wieder eher
unbekannt, aber das soll mitnichten so bleiben. – Urban-transport-magazine und der Buskurier nahmen in Zusammenarbeit die Gelegenheit zur
Testfahrt mit dem Ikarus 120 e gerne wahr.
Der Bushersteller Ikarus ist – aus den Zeiten vor der „Wende“ – alles andere als unbekannt. Das
Unternehmen wurde schon 1895 in Budapest gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte Ikarus zu
dem Bushersteller im früheren „Ostblock“. Getreu dem alten Lehrsatz, dass größere Stückzahlen die
Produktionskosten senken, konzentrierte der „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW) den Bau großer
Busse ganz wesentlich in Ungarn bei Ikarus. Mit einer jährlichen Produktion von rund 15.000 Bussen wurde
man zum drittgrößten Busbauer der Welt, zeitweilig war man sogar die Nummer 1.
Die „Wende“ im vormaligen „Ostblock“ brachte Ikarus in ernsthafte Schwierigkeiten. Die bisherigen
Absatzmärkte brachen weg, da wollten die Kunden jetzt westliche Technik. Und es gelang Ikarus nicht, neue
Märkte im Westen zu erschließen. 17 Niederflurgelenkbusse des Typs 417 zusammen mit ein paar
Midibussen vom Typ 405, die alle an die Wuppertaler Stadtwerke WSW gingen, brachten nicht den erhofften
Durchbruch. Einen Ikarus 405 hat auch die Essener Verkehrs AG mal getestet.
1999 übernahm die „International VEhicles COrporation“ (IVECO), Tochter des Fiat-Konzerns mit Sitz in
Amsterdam, Ikarus. Doch auch unter der Führung von IVECO blieb Ikarus der Erfolg versagt. Deshalb
verließ 2007 der vorerst letzte Ikarus die Werkshallen, Iveco „machte das Licht aus“.
Doch schon 2010 erfolgte ein Neustart mit neuen Eigentümern. Heute gehört Ikarus mehrheitlich dem
ungarischen Großindustriellen Gabor Szeles. Aber auch die chinesische CRRC (China Railroad Rolling stock
Company) ist beteiligt. 2016 begann die Entwicklung des vollelektrischen, 12 Meter langen Ikarus
Niederflurbusses, von dem erste Wagen Ende 2021 auch wieder nach Deutschkland geliefert worden sind.
So läuft der Ikarus 120 e zum Beispiel bei den Meininger Bus Betrieben (MBB).
Hinweis: Urban-transport-magazine berichtete am 06. Dezember 2021 ausführlich über Ikarus.
Die Testrunde begann an der Autobahnabfahrt der A 59 im Troisdorfer Stadtteil Spich. Der Ikarus 120 e kam
an diesem Morgen aus dem Saarland, und diese Autobahnabfahrt bot sich als Treffpunkt an.
Es ging dann zuächst über die A 59 weiter in den Großstadtverkehr im Kölner Stadtteil Deutz – wo Nikolaus
Otto den nach ihm benannten Otto-Motor (Benzin-Verbrennermotor) erfunden hat. (Ein Denkmal dieser
Maschine steht vor dem DB-Bahnhof Köln Messe/Deutz. Köln ist stolz darauf, eine der Geburtsstätten des
Automoblils zu sein.)
Vom Bahnhof Deutz ging es zum Rheinufer zu Füßen der Deutzer Brücke. Hier wurde der Elektrobus
fotografisch – auch das muss sein – vor der Kulisse des Kölner Doms und der wunderschönen romanischen
Kirche „Groß Sankt Martin“ in Szene gesetzt.
Weiter ging es über die Severinsbrücke auf die linksrheinische Rheinuferstraße, zum Verteilerkreis Bonntor
und über die A 555 nach Bonn. (Die A 555 ist Deutschlands älteste Autobahn aus dem Jahr 1929 – von
wegen erster Spatenstich von Adolf Hitler 1933 zwischen Frankfurt und Darmstadt.)
Über die A 555 erreichten wir Bonn, und hier steuerten wir den Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) am
Hauptbahnhof an. Der Ikarus zwischen all den anderen Bussen erregte durchaus Aufmerksamkeit … Es ging
dann weiter über eine längere Steigungsstrecke in den Stadtteil Venusberg. Diese Strecke wird von den
Linien 632 und 634 der Bonner SWB befahren, auf denen Elektrobusse im Einsatz sind. Der Ikarus sollte
zeigen, wie er sich im Vergleich mit den anderen Batteriebussen in der Steigung macht.
Auf dem Berg wechselten wir in den Stadtteil Ippendorf, und von dort ging es über eine zwei Kilometer lange
Gefällstrecke mit 6 % zurück ins Rheintal im Stadtteil Poppelsdorf. Auch hier der Vergleich mit eigenen Elektrobussen der SWB.
Abschließend ging es durch die Stadt und Nachbarorte zurück nach Troisdorf-Spich. Da der Großraum Bonn
hier völlig verstädtert ist, also eine längere Tour im Stadtverkehr.
Der Ikarus 120 e hinterlässt einen guten Eindruck.
Auf den beiden Autobahnabschnitten – A 59 nach Köln-Deutz und A 555 zwischen Köln und Bonn – war der
Ikarus 120 e mit seiner Spitzengeschwindigkeit von 75 km/h unterwegs. Er könnte schneller, aber Ikarus hat
ihn bewusst bei 75 km/h „abgeriegelt“. Bei einem Stadtbus ist das ja auch völlig in Ordnung, in der Stadt
werden die Gelegenheiten, schneller zu fahren, eher selten sein, und auf die Autobahn wird er als
Stadtwagen ohnehin kaum kommen. Wenn man im Fahrzeug sitzt, entsteht zudem ein ganz anderer
Eindruck: bei einem Stadtbus empfindet man 75 km/h auf der Autobahn durchaus als schnell. Der Ikarus
verhält sich laufruhig, hält sich brav an seine Spur, ohne dass der Fahrer mit Lenkkorrekturen eingreifen
müsste. Unebenheiten in der Fahrbahn „bügelt“ die Luftfederung problemlos weg.
In der Stadt (Köln-Deutz) schwimmt der Ikarus 120 e einwandfrei im übrigen Verkehr mit. Er ist zügig
unterwegs und beschleunigt auch zügig. Kein anderer Verkehrsteilnehmer muss sich beschweren, der Ikarus
sei zu „lahm“ und behindere den Verkehr.
Der Wagen zeigte, dass er sich leicht manövrieren lässt. Zum einen fuhren wir auf der Siegburger Straße
einen „U-Turn“: wenden um 180 Grad auf derselben Straße in die Gegenrichtung. Für den Ikarus kein
Problem, er vollzog die Wende ohne rückwärts setzen. Der Wendekreis ist also so, wie er im Stadtverkehr sein soll.
Für die Fotos am Fuße der Deutzer Brücke brachten wir den Bus mit Vorwärts und rückwärts setzen auf der
nur zweispurigen von-Gablenz-Straße in Position. Aber auch hier war der Ikarus 120 e willig dabei.
In Bonn passierten wir auf dem Weg zum Zentralen Omnibus-Bahnhof die Nordunterführung am
Hauptbahnhof, die 1937 gebaut worden ist und als Fahrbahnbelag bis heute grobes Kopfsteinpflaster hat.
Wird der Ikarus seine Fahrgäste das Kopfsteinpflaster spüren lassen? Aber nein! Die Luftfederung bügelt,
siehe oben, die Unebenheiten glatt.
Sehr interessant waren die beiden „Bergstrecken“ in Bonn: rund 100 Höhenmeter aus dem Rheintal auf die
und von den Höhen über dem Stadtkern. Vom Stadtteil Kessenich fuhren wir über Marienhospital auf den
Venusberg, und vom Stadtteil Ippendorf den Kreuzberg hinunter in den Stadtteil Poppelsdorf. Beide Strecken
werden im normalen Linienverkehr der Stadtwerke Bonn (SWB) mit Elektrobussen befahren, zum Venusberg
die Linien 632 und 634, der Kreuzberg von Linie 602.
Da der Verfasser im fraglichen Bereich oben auf dem Berg wohnt, kennt er die Elektrobusse auf den drei
Linien. Hält der Ikarus 120 e mit ihnen mit? (Der Verfasser hat die Erfahrung gemacht, dass die vorhandenen
Elektrobusse der SWB die Berge hinauf „sprinten“ und jeden Dieselbus beschämt stehen lassen. Nicht ohne
Grund sagt man dem Elektromotor im Bus eine gewisse „Bergfreude“ nach.)
Um es kurz zu machen: auch der Ikarus „marschierte“ den Venusberg ausgesprochen zügig hinauf.
Blieb die Rückkehr ins Rheintal den Kreuzberg hinunter. Das Gefälle beträgt 6 % und ist rund zwei Kilometer
lang. Spannende Frage: rekuperiert der Ikarus 120 e im Gefälle, gewinnt er Strom zurück? Die Antwort ist
ein uneingeschränktes Ja. Unten in Poppelsdorf angekommen wies die entsprechende Anzeige im
Armaturenbrett aus, dass in den Batterien ein Prozent mehr Strom gespeichert war als bei der Abfahrt oben
in Ippendorf. (Wenn man doch nur den ganzen Tag bergab fahren könnte – das wäre so etwas wie das
Perpetuum mobile, von dem wir alle mal gelernt haben, dass es das nie geben kann.)
Zur Rückkehr nach Troisdorf-Spich durch Stadt und Vorstädte: siehe oben bei der Beschreibung der Fahrt
durch Köln-Deutz.
So bleibt am Ende der Testfahrt festzustellen, dass der Ikarus 120 e sich gut präsentiert. Er dürfte ruhig
Erfolg auf dem deutschen Markt haben.
Bislang gab es den Ikarus 120 e nur als Dreitürer mit einer Länge von exakt 12.000 mm. Doch Ikarus wird
das Portfolio seiner Elektrobusse erweitern. So wird voraussichtlich noch im Dezember 2022 die zweitürige
Version des 120 e vorgestellt. Die ist interessanterweise 20 Zentimeter länger als der Dreitürer, misst also
12.200 mm. Ikarus betont, dass der Wagen als Zweitürer mehr Sitzplätze hat, was auch von zahlreichen
Interessenten gefordert werde. Auch der Dreitürer wird dennoch weiter gefragt sein, weil Verkehrsbetriebe
zunehmend dazu übergehen, als Solowagen Drei- und als Gelenkbusse Viertürer zu beschaffen. So zum
Beispiel die Bonner SWB und die Troisdorfer RSVG. Mit dem nicht ganz unvernünftigen Argument, dass
mehr Türen den Fahrgastwechsel beschleunigen, dass der dreitürige Solowagen (ebenso wie der viertürige
Gelenkwagen) also leichter seinen Fahrplan einhalten kann. Und dass sie mehr Leute mitnehmen können,
weil sie mehr Stehplätze haben.
Erweitern will Ikarus seine Elektrobus-Palette zudem um eine Version mit einer Länge von 9 Metern und
einen Gelenkwagen. Die Ingenieure arbeiten daran …
(Text: Chritian Marquordt/Bilder: S.Vogel/Der Buskurier)