In einer Woche komplett ausgedieselt
Für Busbetreiber ist es quasi das Tagesgeschäft, die Polster in Linienbussen zu erneuern“, erklärt Pfeffer den guten Innenzustand gebrauchter Linienbusse. Die Außenwerbung sei natürlich auch aktuell. Allerdings seien Motor und Getriebe nach 10 Jahren hinüber. Pfeffer, der sich während seines Studiums eingehend mit Verbrennungsmotoren beschäftigt hat, gibt diesen Alt-Bussen ein neues Leben. „Ein Verkauf alter Linienbusse nach Osteuropa ist kaum mehr möglich, weil auch dort die Städte auf saubere Fahrzeuge setzen“, erklärt er. Ein Verkauf sei allenfalls mit einem großen Wertabzug möglich.
12 Wochen haben die Experten bei „I see electric busses“ einen MAN Bus zerlegt, analysiert und als vollelektrischen Bus wieder aus der Werkstatt gefahren. „Wenn Motor und Antriebsstrang entfernt sind, muss das Zusammenspiel der Elektronik im Fahrzeug neu aufgesetzt werden“, sagt Pfeffer. „I see“ hat elektrische Transporter im 3,0t und 3,5t (4,25t) Bereich elektrifiziert und steigt jetzt ins Retrofit-Geschäft bei Linienbussen ein. „Wir haben bisher schon rund 400 Fahrzeuge elektrisch auf die Straße gebracht!“, so Pfeffer und betont hinzu: „Wir wissen genau, was wir tun.“
Daher sind für ihn auch jedwede Zahnräder bei Elektromotoren an der Radnabe ein Tabu. „Die Zahnräder bekommen Probleme bei den hohen Drehzahlen.“ Aus diesem Grund setzt er auf das ZAwheel von Ziehl-Abegg, einem Radnabenantrieb, der völlig ohne Übersetzung auskommt. Denn das ZAwheel ist ein echter Radnabenmotor, der komplett im Innern der Nabe sitzt.
Das Land Schleswig-Holstein hat die Umrüstung des ersten MAN-Linienbusses finanziell gefördert. Partner für die Umsetzung in der Flotte ist die Autokraft/DB Regio. „Dort gibt es ein Potenzial von mehreren Tausend Fahrzeugen“, freut sich Pfeffer. Der schleswig-holsteinische Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht sagte nach der Fahrt im ersten umgebauten MAN-Bus: „Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt, zunehmend emissionsfrei und flexibel.“ Besonders in Nordfriesland, wo reichlich Strom aus Windkraft, Photovoltaik und Biomasse verfügbar sei, müssten die erneuerbaren Energien jedoch besser genutzt und die Vernetzung von Elektrizität und Verkehr umgesetzt werden.
Grundsätzlich seien die geforderten innerstädtischen Emissionsziele mit den derzeit von Mercedes und MAN verfügbaren Elektrobussen nicht erreichbar. „Daher müssen wir an den bestehenden Fuhrpark ran“, so Pfeffer. 12 Wochen Entwicklungszeit für einen Prototyp sei ambitioniert aber mit einem eingespielten Team gut machbar gewesen. Verwendet wurden nur marktführende Komponenten: von Webasto, von Ziehl-Abegg und von Moteg. So lieferte Webasto die Batterie. Diese ist für die Großserie in Nutzfahrzeugen entwickelt worden und zeichnet sich durch ein crashsicheres Gehäuse und ein hervorragendes Thermomanagement aus; die Batteriesteuerung sorgt laut Webasto dafür, dass jede einzelne Zelle auch nach 10 Jahren gleich leistungsstark ist.
Der echte Radnabenantrieb von Ziehl-Abegg ist wegen jeglicher fehlender Antriebsstränge und Getriebe extrem wartungsfrei und besonders effizient. Dadurch kann das Batteriepaket auch kleiner als bei einem Zentralantrieb gewählt werden. „Das gesamte Antriebsaggregat inklusive der Leistungselektronik ist ohne ein einziges Zahnrad in den Rädern der Hinterachse verbaut“, sagt Pfeffer über den Radnabenantrieb. Dadurch reduziert sich der Energiebedarf pro gefahrenen Kilometer auf deutlich unter 1 kWh.
Die speziell für batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge entwickelten Nebenaggregate stammen von Moteg. Sie sind im Vergleich zu derzeit am Markt verfügbaren Aggregaten mit einem Asynchronmotor bis zu 3-mal kleiner und 6-mal leichter, sowie deutlich energieeffizienter.
Das geräuschlose Fahren begeisterte bei der Vorstellung des umgebauten MAN-Busses auf der Busworld die Fahrgäste. „Selbst das Beschleunigen und Bremsen ist für Fahrer und Fahrgäste sanfter als jedes
Automatikgetriebe oder pneumatische Busbremssystem es jemals sein könnten“, hebt Geschäftsführer Pfeffer die Vorteile für die Passagiere hervor.
Eckdaten zum umgebauten Linienbus
Baujahr: 2011
Hersteller/Modell: MAN A20
Eigentümer: Autokraft / DB Regio
Länge: 12 Meter
Sitzplätzer: 49
Batterie: 210kWh
Motorleistung: Advanced Achse Nennleistung 240kW
Umbauer: „I see Electric Busses GmbH”
Entwicklungszeit: 12 Wochen
Bild und Text : Der Buskurier Stefan Vogel / Ziehl-Abegg