von Christian Marquordt
Am 16. März stellten die Stadtwerke Bonn (SWB) ihre 30 neuesten Busse vor. Es handelt sich um je 15
Solowagen vom Typ MAN Lion’s City 12 efficient hybrid (Wagen 2201 bis 2215) mit einer Länge von 12.200
mm und ebenfalls 15 Gelenkbusse vom Typ MAN Lion’s City 18 efficient hybrid (Wagen 2216 bis 2230) mit
einer Länge von 18.100 mm. Die Solowagen sind Drei- und die Gelenkwagen Viertürer. Das ist (fast) neu für
Bonn. Abgesehen von jenen Zeiten, in denen noch mit Schaffner, der im Heck an der dritten Tür saß,
gefahren wurde. Und von vier Wagen des Jahrgangs 1992 (9201 bis 9204), als die SWB mal dreitürige
Solowagen „ausprobieren“ wollten.
Der erste der neuen Busse traf schon im Januar in Bonn ein, die vier letzten sollen in Kalenderwoche 12 in
Betrieb gehen. Und obwohl die Wagen alle erst im Jahr 2023 angeliefert worden sind, haben sie noch
„Jahresnummern“ des Jahrgangs 2022 bekommen, weil sie im Jahr 2022 bestellt worden sind. (Das geht
parallel auch bei den Bahnen so: die beiden ersten von ihnen kamen (bzw. kommen noch) auch erst im Jahr
2023, sie haben aber auch betriebsinterne Nummern des Jahrgang 2022.)
Die Motoren der neuen Busse stehen links hinten im Heck – gegenüber der letzten Tür – in einem
„Motorschrank“, über ihnen ist der Kühler eingebaut. Die Motoren der Solowagen leisten 206 kW (280 PS),
die der Gelenbkbusse 243 kW (330 PS). Die Motoren genügen der aktuell strengsten Schadtstoffnorm Euro
6 D. Dank des „Efficient-Hybrid-Systems“ sparen die Wagen bis zu 26 Tonnen CO2 pro Jahr und
verbrauchen bis zu 30 % weniger Kraftstoff. Die Wagen haben eine Start-Stop-Automatik: kommt der Bus an
einer Haltestelle oder vor einer Ampel zum Stehen, geht der Motor automatisch aus. Sobald der Fahrer das
Gaspedal wieder antippt, springt die Maschine selbsttätig wieder an. Beim Bremsen wird durch Rekuperation
elektrische Energie gewonnen, mit der Ultracaps (Widerstände) in einem „Hybrid-Modul“ auf dem Dach
geladen werden. So lange der Motor steht, wird das elektrische Bordnetz des Busses aus diesem Speicher
versorgt, und beim nächsten Anfahren unterstützt die Energie aus dem Hybrid-Modul den Dieselmotor, so
dass der Anfahrvorgang weniger Dieselöl kostet.
Ab dem 07. Juli 2024 ist für alle neuen Busse ein Abbiegeassistent vorgeschrieben. Der verhindern soll,
dass Radfahrer, Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer, die im toten Winkel neben dem Bus sind,
übersehen werden und so zu Schaden kommen. Bonns neue Busse haben diesen Abbiegeassistenten
schon heute.
Bemerkenswert ist, dass die SWB-Wagen des Jahrgang 2022 Bonns letzte Dieselbusse sein werden. Ab
sofort sollen alle Bonner Busse elektrisch angetrieben werden. Eine erste entsprechende Ausschreibung
über zehn batterie-elektrische Solo-Wagen (Länge 12 Meter), die im Herbst 2024 geliefert werden sollen,
geht jetzt heraus, Zurzeit läuft das Interessen-Bekundungs-Verfahren, in dem Hersteller derartiger Wagen
erklären können, dass sie gerne liefern würden. Es folgt die offizielle Ausschreibung, für den Herbst diesen
Jahres ist die Vergabe vorgesehen. Der Busbauer, der die Ausschreibung gewinnt, hat dann ein Jahr Zeit,
die Wagen zu bauen.
Die Ausschreibung enthält für Bonn bemerkenswerte Neuerungen. Die SWB haben ja schon sieben
Batterie-Elektrobusse, vier 12 Meter lange „Ebusco 2.2“ (Wagen 2029 bis 2032) und drei 18 Meter lange
Gelenkwagen vom Typ „Solaris Urbino 18 electric“ (Wagen 2033 bis 2035), die auch nur über Nacht auf dem
Betriebshof nachgeladen werden (Over-night-charger). Alle sieben tun auch Tag für Tag brav, was sie sollen,
aber weil sie nicht während des Einsatzes auf der Linie nachgeladen werden, muss man bei der
Einsatzplanung doch Rücksicht nehmen auf ihre (noch) nicht unbegrenzte Reichweite. Sie fahren zwar am
Morgen wie alle ihre Diesel-Artgenossen vom Betriebshof aus, dürfen aber nur auf Kurse, die gegen 19 oder
20 Uhr auf den Betriebshof zurückkehren. Bis dahin immerhin ist ihre Reichweite völlig ausreichend: das
Horror-Szenario, das gelegentlich an die Wand gemalt wird, dass Elektrobusse mit leergefahrener Batterie
liegen blieben oder die Busse ständig gegen Wagen mit frisch aufgeladener Batterie ausgetauscht werden
müssten, tritt schlicht nie ein. Für morgens bis zum frühen Abend reicht die Kapazität der Batterien allemal.
Wenn man allerdings den Wagenpark komplett auf Batteriebusse umstellen will, braucht man auch Wagen,
die 24 Stunden im Einsatz schaffen. Die Batterietechnik macht enorme Fortschritte, man entwickelt
„Feststoffakkumulatoren“ und forscht an Batterien mit anderer Zellchemie, um höhere Speicherkapaztität zu
erreichen. Dabei ist man auch durchaus erfolgreich, und doch ist man noch nicht so weit, dass die
Akkumulatoren die notwendige Kapazität für Einsätze von Bussen 24 Stunden rund um die Uhr mitbrächten.
(Auch wenn das zweifellos nur eine Frage der Zeit ist …)
Die SWB gehen deshalb neue Wege. Erstmals in Bonn sollen die Wagen, die jetzt ausgeschrieben werden,
auf der Linie nachgeladen werden. Es sollen Lademasten im Netz errichtet werden, an denen die Busse mit
„invertiertem“ Pantograph mit Strom versorgt werden. Der Bus fährt unter die Ladestation, der Pantograph
senkt sich von der Station auf den Bus ab, der elektrische Kontakt zwischen Pantograph und Bus stellt sich
über Ladeschienen auf dem Dach des Busses her. Dieses System des Nachladens ist zwar seltener, wird
aber zum Beispiel mit gutem Erfolg in Hamburg und Berlin angewendet.
Wer die neuen Elektrobusse für Bonn liefern will, wird den SWB nicht nur die neuen Busse auf den Hof
stellen müssen, sondern auch die Ladeinfrastruktur, will sagen Lademasten und Stromversorgung,
bereitstellen müssen. Wobei die SWB Wert darauf legen, dass die Ladeinfrastruktur eher einfach von einem
an einen anderen Ort versetzt werden kann.
Man darf gespannt sein, wer sich an der Ausschreibung beteiligen wird, und vor allem, wer den Zuschlag
bekommen wird.
( Text Christian Marquordt/Bilder Stefan Vogel / Der Buskurier)