Wernigerode, die „bunte Stadt am Harz“, auch zu DDR-Zeiten ein Schmuckstück. Sie ist nicht nur eine sehenswerte Fachwerkstadt, sondern sie liegt zudem am Fuß des Berges des Harzes schlechthin, des Brockens (mit 1.142 Metern der höchste Berg Norddeutschlands mit – ganz im Ernst – hochalpinem Klima. Früher war Wernigerode Kreisstadt des gleichnamigen Kreises, aber diese Aufgabe hat es seit dem Zusammenschluss der Kreise Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode zum „Harzkreis“ (Kennzeichen HZ) an Halberstadt verloren. Im heutigen Harzkreis gab es drei öffentliche Verkehrsbetriebe, die Halberstädter Bus Betriebe (HBB), „Q-Bus“ aus der anhaltischen Sommerresidenz Ballenstedt und die Wernigeroder Verkehrs Betriebe (WVB) – ex KVG Wernigerode, ex VEB Kraftverkehr Wernigerode. Die drei wurden mit der Kreisreform vereint zu den „Harzer Verkehrs Betrieben (HVB). Und weil die WVB aus Wernigerode der größte der drei fusionierten Betriebe waren, wurde Wernigerode zum Betriebssitz der neuen HVB. (Anmerkung: natürlich ist die Kreisstadt Halberstadt die größte Kommune im neuen Kreis Harz. Aber Halberstadt hat mit der HVG (Halberstädter Verkehrs Gesellschaft) ein eigenes Nahverkehrs-Unternehmen, das neben Buslinien sogar auch über einen (Miniatur-)Straßenbahnbetrieb verfügt.
Den Stadtverkehr in Wernigerode mit fünf Linien betreiben mithin die kreiseigenen „Harzer Verkehrs Betriebe“ (HVB). Die im übrigen eine große Zahl von Überlandlinien im Kreis anbieten. Unter ihnen eine bemerkenswerte Linie von Ilsenburg (ebenfalls am Fuß des Brockens) auf sonst für den Verkehr gesperrten Waldwegen nach Drei Annen Hohne, einem Stadtteil von Wernigerode, wo Anschluss an die „Brockenbahn“ der Harzer Schmalspur Bahnen (HSB) besteht.
Anfang Oktober nahmen die HVB sieben für Deutschland (einstweilen) noch ungewöhnliche Busse in Betrieb. Wir sprechen von sieben „Scania Citywide 10,7 LF“ mit den Wagennummern 3065 bis 3071. Ihre Besonderheit: sie fahren nicht mit so bekannten „Kraftstoffen“ wie Elektrizität oder Wasserstoff, und schon gar nicht mit Diesel, sondern – Zitat aus einer Presseinformation von Scania – „mit der Kraft der Landluft“. Sie verstehen, was der Herr Scania uns damit sagen will? Richtig, sie fahren mit Biogas. Die Fahrgestelle der Wagen stammen aus dem Scania-Stammwerk im schwedischen Södertälje (etwa 30 Kilometer südwestlich von Stockholm), die Aufbauten aus dem Scania-Werk im polnischen Slupsk. Die Wagen haben 32 besonders komfortabele Sitze mit hochgezogenen Rückenlehnen – für Linienbusse eher unüblich. Die HVB bemühen sich also, ihren Fahrgästen bewusst eine angenehme Fahrt zu bieten.
Angetrieben werden diese „Scania Citywide 10,7 LF“ vom Scania-Gasmotor „OC 09.104“, der 280 PS (206 kW) leistet. Das ist für einen nicht ganz so großen Bus im bergigen Umland des Harzes nicht schlecht – und sorgt dafür, dass der Bus durchaus flott unterwegs ist. Jens Ludwigkeit, der Verkaufsleiter Busse bei Scania Deutschland, sagt: „Das ist der modernste und sparsamste Gasmotor für Busse, den es derzeit auf dem Markt gibt.“
Christian Fischer, Geschäftsführer der HVB, fügt hinzu: „Wir blicken mit diesen Bussen optimistisch in die Zukunft. Ziel der Anschaffung ist es, den Stdtverkehr in Wernigerode attraktiver und klimafreundlicher zu gestalten.“
Das Gas für die Busse wird ausschließlich aus landwirtschaftlichen Abfallstoffen und Stroh hergesetllt. „Produkte, die für Nahrungsmittel verwendet werden könnten, werden nicht genutzt!“ Das Bio-Methan (Biogas) für die neuen Scania liefert das Unternehmen „Verbio“ aus Sachsen-Anhalt, wobei „für die letzten Meter“ bis zu den HVB die Stadtwerke Wernigerode zuständig sind. HVB-Geschäftsführer Fischer: „Durch den Einsatz der neuen Scania sparen wir 100.000 Liter Diesel ein. Das entspricht 300 Tonnen CO2. Das sind 90 % weniger CO2-Emissionen,“ Anders: die neuen Scania Citywide 10,7 LF sind nehezu klimaneutral unterwegs.
Bei der Präsentation der sieben neuen Scania berichtete Wernigerodes Oberbürgermeister Kramer, dass die Busse schon einen ungewöhnlichen Einsatz hinter sich hatten. In den ersten Oktober-Tagen war unterhalb des Gipfels des Brockens ein großflächiger Waldbrand ausgebrochen, die Wanderer, die oben auf dem Berg waren, mussten evakuiert werden. Man schickte die neuen Scania auf den Berg, und man brachte alle Menschen unbeschadet zurück ins Tal. „Auch das,“ so Kramer, „müssen die Busse können. Nicht nur im Tal auf bequem gebahnten Straßen fahren, sondern auch unter widrigen Umständen auf 1.100 Metern Höhe.“
Werkstattleiter Dirk Blum sagt: „Dieselbusse haben eine komplizierte Abgasnachbehandlung, weil sie auf hohe Temperaturen angewiesen ist.“ Deshalb verursache sie in der Werkstatt auch relativ viel Aufwand. Bei Gasmotoren spiele die Abgasnachbehandlung kaum eine Rolle. ( Text ChristianMarquordt/Bild Stefan Vogel/Der Buskurier)